Wissen über Monster.

Die Monster sind wir.
Außerirdische sind wir.
kUMUSI/Second Mission.
Wir sind durchsichtig, wir sind gar nicht da und schwirren herum.
Es gibt Menschen, die uns als Monster sehen, nicht akzeptieren und uns weg haben wollen.
Wir Monster schwirren weg, aber TOUCHDOWN21, Ohrenkuss und unsere Mitmenschen glauben an die Monster und verschönern den Planeten der Monster.

Dieser Text von Teresa Knopp ist in der neuen Ausgabe des ‚Ohrenkuss‘ erschienen. Auf meiner Website wort + !dee und als Redakteurin der Zeitschrift des Arbeitskreis Down-Syndrom Deutschland habe ich schon häufiger über das Magazin von Menschen mit Trisomie 21 berichtet.

Monster: ein sehr spezielles Thema

Bei jeder Ausgabe begeistern mich die Texte der Autor:innen und das außergewöhnliche Layout. Diesmal hat die langjährige Ohrenkuss-Grafikerin Maya Hässig eine besondere Gestaltung entwickelt: beeindruckende, schwarz-weiße Illustrationen von Vincent Burmeister korrespondieren mit Neon Orange – sehr spannend und sehr passend: Denn in der Ohrenkuss Ausgabe 52 im neuen Format dreht sich alles um das Thema Monster.

Monster machen Angst, faszinieren und manchmal spüren wir das Monster in uns. Und nicht jeder mag es, sich mit ihnen zu beschäftigen. Das wurde auch in der Ohrenkuss-Redaktion deutlich. Nora Fiedler beschreibt ihre Abwehr: „Ich kann es nicht sehen und auch nicht spüren und auch nicht anfassen, weil das ein Schatten ist und ein Schatten…“

35 Autor:innen mit Down-Syndrom wirkten schließlich an der Ausgabe mit. Sie schrieben über ihre Gedanken und Gefühle oder diktieren diese für eine sehr spezielle und – wie ich finde – wieder einmal gelungene Ausgabe.

„Monster pupsen nicht.“

Dieses Zitat, diktiert von Daniel Rauers, eröffnet das Thema auf Seite 3, gefolgt von weiteren überraschenden Statements und Texten unterschiedlicher Länge. Es geht dabei auch um die Frage, warum wir über Monster nachdenken sollten und warum sie uns Angst machen. Natalie Dedreux beschreibt es so. „Was mir Angst macht? Eher so Richtung Hitler … Hitler würde ich als Monster-Nazi beschreiben.“

Wie sich Angst anfühlen kann, beschreibt Ronja Marie Ossmann: „Bei Angst sind die Gefühle ein bisschen durcheinander, sage ich mal. Es ist irgendwie komisch und schwer zu verstehen. Man weiß nicht, wohin. Wie soll man den anderen die Angst bitteschön erklären, und die Sorgen und Probleme.“

Angst erkennen, zulassen, beschreiben

Genau. Wie gehen wir mit unserer Angst um? Maren Naefgen verrät, wie sie es macht: „Ich habe Riesenangst davor. Warum? Weil ich ängstlich bin. Lieber nur ausdenken.“ Nach monatelanger Recherche und Auseinandersetzung mit dem Monster-Dasein dürfen wir im Ohrenkuss 52 an vielen bisher geheimen Gedanken teilhaben. So lässt uns Angela Fritzen wissen: „Mein Monster hat ein Herz. Das Herz ist genauso wie ein Mandala.“

Das klingt gleich ein wenig schauriger, oder? Dass es freundliche Monster geben kann, erfahren wir auch von Mila Zoé Meier. „Es hat eine schöne Stimme wie Opa. Mein Monster hört gerne Bibi und Tina und Helene Fischer und Mark Foster.“

Ein Gastbeitrag  von Birte Müller

Die Monster-Welt ist also facettenreich. Das macht der Ohrenkuss deutlich. Ausweichen können wir ihr nicht immer. Und wie wichtig es ist, reale Monster rechtzeitig zu erkennen und sich davor zu schützen, macht Gastautorin Birte Müller in einem Beitrag deutlich. Karlchen, Willi und die wirklichen Monster. Der Text ist der Ausgabe beigelegt: in einer Klappe auf der letzten Innenseite und ergänzt den Text von Teresa Knopp „Wissen über Monster“.

Wer sind denn die wahren Monster?

Birte Müller macht deutlich, wie zeitgemäß das Thema ist. Die Hamburger Autorin und Illustratorin hat zwei Kinder: Willi und Olivia. Ihr Sohn Willi ist im Jahr 2007 mit dem Down-Syndrom zur Welt gekommen. Viele ihrer Bilderbücher, die sie übrigens auch selbst illustriert, handeln von Willis Welt und sind Mut-mach-Bücher für alle Kinder.

In ihrem Beitrag, der in der TAZ im Februar erschienen ist, schreibt sie über ‚Karlchen, Willi und die wahren Monster‘. Sie bezieht sich auf den neuen Roman von Uwe Timm mit dem Titel „Alle meine Geister“. Darin berichtet der Autor über seine Jugendjahre im Nachkriegsdeutschland und über ‚Karlchen’, der nach der Kapitulation Hamburgs zum ersten Mal in seinem Leben die Wohnung verlässt, in der ihn seine Eltern 12 Jahre lang versteckt hielten. Diese Szene habe sie besonders berührt.

Karlchen, Willi und das Down-Syndrom

„Karlchen war mit dem Down-Syndrom auf die Welt gekommen, wie mein eigener Sohn“, schreibt dazu Birte Müller im Taz-Artikel: „Damals hätte man ihn einen ‚mongoloiden Idioten‘ genannt und ermordet, hätten seine Eltern seine Existenz nicht verheimlicht.“ Birte kommentiert: „Unser geliebter Willi wäre ohne medizinische Hilfe schon in seinem ersten Lebensjahr mehrfach gestorben.“

Birte stellt Fragen: Waren die Großeltern oder ein paar Freunde eingeweiht? Haben es die Nachbarn gewusst? Und wie muss sie gewesen sein: Eine Kindheit in einer Wohnung eingesperrt, leise sein, leise sein, nicht mal aus dem Fenster schauen dürfen – denn dort konnte man gesehen werden? So viel Schmerz und Einsamkeit kann sie sich unmöglich vorstellen.

Menschen annehmen, statt auszusortieren!

Es sei ebenso unglaublich, aber eine Tatsache, dass allgemeine gesellschaftliche Vorstellung von ‚minderwertigem Leben‘ selbst auf Elternliebe Einfluss hatte. Es komme ihr geradezu perfide vor, dass auch heute wieder Kinder mit Behinderung aussortiert würden. Die Verantwortung für ihr Leben oder Sterben werde ganz zwanglos in die Hände der werdenden Eltern gelegt, die dies allein entscheiden sollen. Doch gerade die Angst davor ‚allein‘ zu sein, mache vielen diese Entscheidung schwer. Dazu komme ein bunter Strauß an pränataldiagnostischen Untersuchungsangeboten – oft sogar als Kassenleistung – die eine gewisse Erwartungshaltung zumindest ahnen ließen.

Gemeinsam für ein Klima der Menschlichkeit

Was sich Birte Müller wünscht, ist eine gesellschaftliche Verantwortung für ein soziales Klima, in dem jeder Mensch willkommen ist. Diese sei heute so notwendig wie seit 100 Jahren nicht. Weil wir Menschen wie Karlchen und Willi brauchen, um selbst Menschen zu sein.

Wer mehr lesen, den Ohrenkuss (Chefredaktion Katja de Bragança) kennenlernen oder abonnieren möchte, um eine monster-coole Idee zu unterstützen, findet alle Infos auf: Ohrenkuss …da rein, da raus

Hier geht es zur Seite von Birte Müller

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