Der Wortfinder-Kalender 2024:

Allein der Titel ist ein Wortschatz. Wieder einmal ist es Sabine Feldwieser gelungen, einen Literatur-Kalender der besonderen Art zu verwirklichen. Er ist wie immer das Ergebnis des Literaturwettbewerbs für Menschen mit geistigen und kognitiven Einschränkungen des Vereins Die Wortfinder e. V. in Bielefeld. In diesem Jahr war ich in der Jury für die Textauswahl und durfte miterleben, welche Vielzahl und Vielfalt an Texten eingegangen ist und mit wieviel Energie und Herzblut die Wortfinder-Gründerin das Projekt seit mehr als 10 Jahren realisiert.

Der Wortfinder-Kalender 2024

Gefühlsachterbahn & Gedankenkarussell

In diesem Jahr konnten erstmals auch Menschen mit einer demenziellen Erkrankung teilnehmen und zu dem Thema ‚Gefühlsachterbahn & Gedankenkarussell – Über das Fühlen und über das Denken‘ schreiben. Mehr als 750 Autor:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligten sich und eine fünfköpfige fachkundige Jury wählte aus den rund 1250 eingereichten Beiträgen die Preisträger:innen aus.

Texte zwischen Traum und Poesie

Die Texte im Wortfinder-Kalender 2024 sind eine bunte Mischung, die zum Nachdenken und Staunen bringt, die erheitert und erfreut. Egal ob philosophische Betrachtungen über das Für und Wider von Sehnsucht, experimentelle, zwischen Traum und Realität angesiedelte Sprachspielereien, Eifersuchts-Rap oder poetische Verse über das Hoffnung gebende Vögelchen Neffoh. Wir erfahren, wozu Zinapsen gut sind und bekommen erklärt, was ein Denkanstoß ist und lernen unterschiedliche Modelle von Gedankenkarussellen kennen.

Schreiben zeigt, was Menschen ausmacht

Was das Schreiben für die Teilnehmenden bedeuten kann, erfuhr ich über einen Kontakt zur Lebenshilfe Osterburg. „Wir haben einen Preisträger aus unserer Werkstatt und sind sehr stolz darauf“, schrieb mir die Geschäftsführerin und Werkstattleiterin Sarah Maaß. „Leider wird Menschen mit Handycap in der Normalität zu wenig zugetraut“, sagt sie. Daher unterstütze sie das Engagement ihrer Kollegin Irene Nitsche, die in Osterburg das Lernmodul Kreatives Schreiben leitet.

Mich interessierte nun, was Maurice Rechtenbach, Autor und Preisträger aus Osterburg, der in der Lebenshilfe Werkstatt eine zweijährige Ausbildung absolviert, selbst dazu sagt: Was die Würdigung seines Textes und das Schreiben für ihn bedeuten. Maurice Rechtenbach wollte es einfach einmal probieren, erfahre ich. Nun sei er sehr glücklich darüber, dass so viele Menschen seinen Text lesen könnten.

„Schreiben entspannt mich.“

„Preisträger zu sein, ist ein schönes Gefühl. Da hat man was Gutes gemacht. Das schätzen nicht so viele“, sagt er auf meine Frage und erklärt die Bedeutung seines Textes. „Mich beschäftigen Themen in der Gesellschaft und ich konnte schreiben, was ich fühle. Mir bedeutet das Schreiben halt, dass die Leute wissen, worum es geht. Was den Menschen ausmacht, aber auch das Schreiben von Texten, die man benutzt, die Menschen auch zu begeistern. Dass auch das Innenleben von dem Menschen gerechtfertigt wird und seine Freiheit zeigen kann.“

Warum er es liebt zu schreiben, verrät er ebenfalls: „Schreiben entspannt mich. Da kann man Sachen, die unerwartet kommen, aufschreiben. Zum Beispiel kann man auch über Probleme schreiben oder ausprobieren über ein Thema zu schreiben. Ich zeichne auch Dinge, die mich beschäftigen. Dann habe ich keine Last mehr. Ich kann meine Probleme einbauen. Ich kann erkennen, dass ich mich so anderen mitteilen kann.“

Sabine Feldwieser gratuliert Maurice Rechtenbach
Sabine Feldwieser gratuliert Maurice Rechtenbach

Gleichberechtigte Teilhabe am kulturellen Leben ist das Ziel des Wortfinder-Literaturwettbewerbs, den Wortfinder-Gründerin Sabine Feldwieser seit 2011 organisiert. In diesem Jahr wurde sie mit dem Bielefelder Kulturpreis ausgezeichnet.

Kulturpreis 2023 für Sabine Feldwieser

Die Stadt Bielefeld würdigt ihr Engagement für Inklusion und den Mehrwert daraus – für Menschen mit geistigen und psychischen Beeinträchtigungen als auch für die Kunst- und Kulturszene der Stadt. Besondere Anerkennung erhielt die Gründerin des gemeinnützigen Vereins Die Wortfinder e.V. für ihre Förderung der literarischen Ausdrucksmöglichkeiten und des kreativen Schreibens von Menschen in besonderen Lebenslagen.

In der Zeit der Pandemie hatte sie unter anderem das SchreibKunst-Projekt ‚Heraus mit den Sprachen‘ initiiert, das ebenfalls eine Quelle der Inspiration ist – mit Texten, die überraschen, berühren, nachdenklich machen und zum kreativen Selbstausdruck ermuntern.

Die Wortfinder-Preisträger:innen bei der Preisverleihung in der Bibliothek der Stadt Bielefeld
Die Wortfinder-Preisträger:innen bei der Preisverleihung in der Bibliothek der Stadt Bielefeld

Weitere Infos und Bestellungen: Die Wortfinder
Fotos: Patrick Pollmeier 

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