Überall ist Wunderland … 

… heißt es in einem meiner Lieblingsgedichte von Joachim Ringelnatz. Ich liebe seine Leichtigkeit, die spielerisch in die Tiefe geht. Skurrile und dennoch lebensnahe Poesie. Humorvolle Worte, die fröhlich stimmen und nicht nur an der Oberfläche kratzen. Er ist eben einer, der es konnte. Du kannst es auch, wetten?

Ich kann gar nicht schreiben, höre ich immer wieder, wenn die Menschen zu mir in die Workshops kommen. Das kenne ich von mir selbst! Eine Vorsichtsmaßnahme, um die Erwartungen niedrig zu halten, vor allem an uns selbst. Wir sind Kinder einer Leistungsgesellschaft. Etwas zu tun, nur weil es Freude macht, ist eine Übung.

Ein Ausflug mit Stift und Papier

Wenn ich dann erlebe, wie die Teilnehmer*innen zum Stift greifen und die Chance nutzen, ihr Heft oder ein Blatt Papier als kreativen Freiraum zu nutzen, geht mein Herz auf. Nach dem ersten 5-Minuten-Schreiben – das immer funktioniert – kann ich verkünden: Ihr habt keine Schreibblockade – zumindest nicht hier und jetzt! Das ist der erste Schritt in die Entspannung: Leichtigkeit breitet sich aus wie feiner Lavendelduft.

Die erste Hürde ist genommen. Der zweite Schritt ist das Lesen. Traue ich mich? Wer will schon hören, was ich geschrieben habe? Was werden die anderen denken? Vielleicht ist mein Text zu persönlich, zu emotional oder einfach zu banal? Und dann: Die oder der Erste setzt beherzt die Fußspitze ins kalte Wasser und tut es. Vielleicht zunächst zögerlich, je nach Naturell oder Tagesform: laut oder leise, sanft oder kraftvoll.

„Das Lesen verleiht den Worten Ausdruck. Das Hören entschlüsselt ihr Geheimnis.“

Wir sind von Feinfühligkeit umgeben, wenn wir Worten lauschen, die von trüben Tagen oder rosigen Zeiten erzählen. Ein anderes Mal nimmt uns eine Welle der Emotionen mit, die sich Bahn bricht, um jetzt gespürt zu werden. Wir halten ihr Stand. So eine kräftige Brise kann aufwühlen, erfrischen und sogar tragen. Wir sitzen alle im selben Boot und bringen es sicher ans Ufer. Hier am ‚Schreibtisch‘ gibt es kein richtig oder falsch. Wir alle sind fehlerfroh unterwegs. Niemand segelt allein.

„Schreiben heißt: sich selber lesen.“
(Max Frisch)

Gemeinsam lauschen wir dem Wunder, das gerade geschieht, ohne Zensur. Denn nur so werden ungeahnte Wortschätze zu Tage gefördert und Ideen formuliert, von denen wir nicht zu träumen gewagt hätten. Nun haben wir sie befreit – wie den Geist aus der Flasche. Die Künstlerin in uns wird lebendig – der Künstler darf sich zeigen.

Raum für Wortschätze

Lebenspoesie entsteht, wenn wir sie geschehen lassen: Improvisationen aus der Tiefe unserer Seele, Geschichten, die nur das Leben schreibt. Sie sind immer sehr persönlich, verdienen Würdigung und Schutz. Viele Menschen kostet es Überwindung, mit ihren Texten an die Öffentlichkeit zu gehen. Auch das kenne ich gut. Wir geben etwas von uns Preis, machen uns sichtbar und verwundbar. Umso wertvoller ist ein geschützter Raum, in dem wir uns zunächst einmal selbst lesen dürfen, bevor andere es tun.

Damit die kostbaren Wortschätze, die in meinen Workshops entstehen, dennoch in die Welt gehen können, gibt es dafür Raum auf meiner schreibselig-Seite. Ich bedanke mich bei den Teilnehmer*innen für ihr Vertrauen und die Inspirationen, die vielleicht auch dich dazu ermutigt, dieselbe Erfahrung zu machen: Hurra, ich kann schreiben!

Teste es selbst und lass dich überraschen, hier findest du mein aktuelles Workshop-Angebot.

Überall 

Überall ist Wunderland.
Überall ist Leben.
Bei meiner Tante im Strumpfenband
Wie irgendwo daneben.

Überall ist Dunkelheit.
Kinder werden Väter.
Fünf Minuten später
Stirbt sich was für einige Zeit.
Überall ist Ewigkeit.

Wenn du einen Schneck behauchst,
Schrumpft er ins Gehäuse.
Wenn du ihn in Kognak tauchst,
Sieht er weiße Mäuse.

Joachim Ringelnatz

Fotos: paladin1212 / Adobe Stock 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.