Einfach so dahinrieseln, keinen Wiederstand aufbauen, loslassen, komplett zerbröseln – das wäre mir jetzt sehr recht. Alles andere bräuchte Energien, Ideen und Kräfte, die gerade aus sind. Ausverkauft oder geklaut, von wem ist eigentlich egal. Sich ziellos treiben lassen kann auch was haben. Vor allem wenn gar nichts anderes geht als Leere.*

Diesen kleinen, fast schon meditativen Text hat Bettina Dempwolf in fünf Minuten geschrieben: spontan und intuitiv, als Warm-up zum Abendseiten-Schreiben in unserer Montags-Gruppe. Das Fünf-Minuten-Schreiben ist eine wunderbare Übung, um in Ruhe anzukommen. Daher starte ich jeden Workshop damit.

Wir schreiben einfach drauflos, mit der Hand übrigens: Denn so verbinden wir unsere linke und rechte Gehirnhälfte miteinander. Und unsere Kreativität kann fließen – tiefenentspannt oder in wohltuender langer Weile, wie es die Teilnehmerinnen in ihren Fünf-Minuten-Improvisationen beschreiben. Sie alle teilen die Erfahrung: Automatisch schreiben – geht doch!

Tiefenentspannt

„Einatmen – ausatmen, dazwischen die kleine Pause erspüren. Gelassenheit, es ist Zeit für Gelassenheit. Ich habe mir die Zeit genommen und bin darin herumgeschwommen. Nachspüren, wie der Tag war … Kraniche falten statt Morgenseiten schreiben – auch schön! Die Ruhe genießen, den Sonnenschein … dann in die Woche starten, auch die Telefonate mit Bedacht führen und immer mal wieder innehalten, das gibt Halt. Und Zeit, sich zu freuen! Wenn etwas zwackt, dann auch dahin spüren, doch nichts festhalten, alles ziehen lassen, wie Wolken, die vorbeiziehen.“ © Jutta Killian

Eine lange Weile verweilen

„Ich setze mich auf den freien Stuhl, lege den Schlüssel auf den Tisch und schließe für einen Moment die Augen. Und nun ist da nur noch ein Wunsch: In Ruhe ankommen, mir Zeit nehmen für mich und den Atem; den Atem, der länger wird, weil zwischen den Zügen die Weile liegt, die lange Weile in zwei Worten. Eine lange Weile: verweilen, hinschauen, sehen, spüren, atmen. Nichts als ver-weilen.
Verweilen und damit die Sekunde dehnen, so als ob sie aus der Zeit fiele, so als könne aus einer Sekunde ein Leben werden.
Verweilen und damit die Sekunde aus der Hast nehmen, so als ob man selbst aus der Zeit gefallen wäre, so als wäre nichts mehr als das, was gerade ist.
Und vielleicht ist es das auch; im Hintergrund das Lied der Vögel, die vom Frühling singen, unterbrochen von einigen Autos, die so wie ich eben noch durch die Zeit eilen, als gäbe es keine Sekunde, die man aus der Zeit nehmen könnte.
Ich beginne zu lächeln und spüre meinen Bauch, der sich gelassen hebt und senkt. Eile wird zur Weile. Was ich nach diesem Tag tue: In Ruhe ankommen, mir Zeit nehmen für mich und den Atem. Ich falle aus der Zeit für die Zeit, die gerade ist.“ © Kerstin Schwert

Willkommen

Oh wie schön. Es geht los, der Füller darf wieder über das Papier gleiten. Gaby hat den Start eröffnet. Mich willkommen geheißen mit Tee, Leckereien und einer Schreib-Rosen-Serviette. Meine eigene Zeit, die Buchstaben aus der Feder fließen zu lassen. Welch ein Glück, diese Möglichkeit zu haben, sie mit gleichgesinnten Schreiberinnen zu teilen. Mal sehen, was heute so auf das Papier in die Linien ohne Linien möchte.
© Eva Hoffmann

Frauen. Geschichten. Düfte.

So. Da bin ich. Hier ist Ruhe, hier ist Fließen, hier ist Schönes. Hier kann ich mich fallenlassen in ein langsames Schwingen. Warm, gemütlich, versorgt. Trost ist hier auch. Düfte trösten. Beruhigen den Geist, der sich mit Sorgen beschäftigt hatte. Warmer Tee. Schreibende Frauen. Was brauche ich mehr? Ein- und ausatmen. Unspektakulär. Nichts müssen, nichts Tolles leisten. Das ist heute sehr im Vordergrund. Ich muss nichts leisten, auch keinen tollen Text. Nichts Kluges. Das schlimmste Problem, das ich hier grade habe: eine schmierende Kugelschreibermine. Ansonsten bin ich neugierig auf: Frauen, Geschichten, Düfte. © Bettina van Amerongen

Das 5-Minuten-Warm-up: So geht’s  

  • >> Schnapp dir Stift und Papier. 
  • >> Suche dir einen Ort, an dem du dich wohlfühlst und wo du wenigstens fünf Minuten Ruhe hast.
  • >> Atme ein paar Mal tief ein und aus. Und dann leg los.
  • >> Schreibe alles, was Dir gerade in den Sinn kommt, ohne abzusetzen oder zwischendurch zu korrigieren.
  • >> Lass die Wörter fließen: in Stichpunkten, ganzen Sätzen oder Reimen.

Mach das 5-Minuten-Schreiben zu deinem täglichen Ritual: am frühen Morgen, um aufgeräumt in den Tag zu starten, als Alternative zum Morgenseiten-Schreiben. Nach der Arbeit, um eine ‚Brücke‘ zum Feierabend zu schlagen oder vor dem Zubettgehen, um dich von belastenden Gedanken des Tages zu befreien. Schreib drauflos, wann immer es für dich passt.

Dass sich deine Schreibkompetenz ebenfalls ‚automatisch‘ verbessert, ist die gewünschte Nebenwirkung, die kreatives Schreiben mit sich bringt. Teste es gern in einem meiner Workshops und lerne außerdem die Wirksamkeit ätherischer Öle als Impulsgeberinnen kennen.

Weitere Fünf-Minuten-Texte findest du hier!

*Text: Bettina Dempwolf

Ich bedanke mich bei allen Autorinnen für die Erlaubnis zur Veröffentlichung ihrer Text. Die Rechte dran bleiben selbstverständlich bei ihnen.

Foto: Song_about_summer / Adobe Stock 

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