Meister Lampes Grünfutterbude

Es ist wieder mal Markttag. Ich parke mein Vehikel direkt vor Meister Lampes Grünfutterbude. „Heute frische Kräuter“, leuchtet mir grün auf weiß plakatiert entgegen. Herrn Lampes Gesicht leuchtet auch, als ich sämtliche Kräutertöpfe in meinen Riesenkorb platziere und ein stattliches Sümmchen in seine Rechte gleiten lasse.

Halb zwölf. Ich muss mich beeilen, da sich mein Freund zum Mittagessen angemeldet hat. Zu Hause angekommen, grase ich jeden Kräutertopf mit einem scharfen Messer ab und stelle einige Gewürze bereit. Lasse Wasser in einem Topf aufkochen, gebe je einen Teelöffel Petersilie, Thymian, Beifuß, Kerbel, Dill, Ysop, Tripmadam, Schnittlauch, Bohnenkraut und Majoran hinein und würze alles mit je einem Esslöffel Salz, Paprika, Senf, Tomatenmark und Chilipfeffer.

Mein Freund probiert zunächst und greift dann herzhaft zu. Ein gurgelnder Laut entringt sich seiner Kehle. Sein Mund sperrt sich weit auf. Flammen schlagen aus seinem Rachen. Sie steigen höher und höher. Mit ihrer Spitze erreichen sie bald den Himmel.

Seit dieser Stunde weilt mein Freund dort oben. An jedem Markttag zur Mittagszeit erscheint er, ganz in Weiß und mit gekonntem Flügelschlag, in meiner Wohnung. Er überreicht mir all die genannten Kräuter rückwärts, die Gewürze ebenso. Mit seinem feurigen Mund zündet er den Herd an, setzt sich an den Tisch und lobt meine vorzüglichen Kochkünste.

Zur Autorin: Gitta Wittschier ist freie Mitarbeiterin beim Westfalen-Blatt (Bünder Zeitung). „Ich schreibe für mein Leben gern, seit mehr als 40 Jahren“, sagt sie. Genauso lange schreibt sie Gedichte und Kurzprosa. Seit 1986 ist Gitta in der Bünder Schreibwerkstatt aktiv und ermuntert Menschen dazu, einfach drauflos zu schreiben. Dort haben wir uns kennengelernt. In etlichen Anthologien, die von der Schreibwerkstatt veröffentlicht wurden, sind Gittas Texte erschienen. Häufig auf Krimibasis verfasst, leben sie immer vom Überraschungsmoment. 

Foto: Ute Adam 

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